Gerlinda Swillen, Sprecherin von BOW i.n.( www.bowin.eu) hat diese Vorführung in Klekken am 7. Juni 2013 präsentiert.

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Copyright : Cegesoma Brüssel.

Die meisten Kriegskinder sind unehelich geboren. Sie wurden meistens nicht einmal von ihrem Vater anerkannt; selbst ihre Mutter hat sie nicht immer anerkannt. Sie haben also mit ihrem Mutter, eventuell mit ihrer Familie gelebt, wurden manchmal von anderen Eltern adoptiert oder wohnten in Internaten oder anderen Instituten. Das bedeutet aber nicht, dass die Schwangerschaft seiner Freundin und später die Geburt und Entwicklung des Kindes jedem Erzeuger gleichgültig war.

Das Bild das ich oft als ein Logogram meiner Forschung benutze illustriert aber sehr genau die Gefühle des Kindes. Dieses Mädchen lebt jetzt als Siebzigjährige in der Nähe von Mons in Wallonien. Als ich sie fragte, ob sie etwas Bestimmtes über ihren Vater wissen möchte, gab sie die Antwort aller Kriegskinder : „Ich möchte wissen, wo er begraben liegt, um sein Grab zu sehen. Und ich möchte wissen, was geschehen ist und alles… ich weiß nicht was …“ –

Haben Sie den Eindruck, dass diese Geschichte Ihrer Geburt Ihr Leben bestimmt hat ?“ – Ja, sehr. Irgendwo fehlt er. Ich kann Ihnen das nicht erklären. Aber ich vermisse ihn.“

In dieser Geschichte ist es merkwürdig, dass Monika C. dieses Gefühl nur für ihren Vater hegt, nicht für ihre Mutter, obwohl sie nur kurz mit ihr zusammengelebt hat und damals so traurig war, dass man sie nach ihren Pflegeeltern zurückgeschickt hat. Als ich sie fragte : „Denken Sie manchmal an

Ihren Vater ?, antwortete sie : „Oft“. – Wie stellen Sie sich ihn vor ? – „Ich weiß es nicht. Einmal habe ich ihn im Traum gesehen. Nun, war er es wirklich? Es war das schönste Geschenk, das ich hatte. Ich bin aufgestanden, habe gesagt : ‚Ich habe meinen Vater gesehen.’ Ach, es war wunderbar“. Ein belgisches Lebensbornkind nennt seinen Vater : „die Hälfte die man vermisst“.

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Aber nicht nur die Kinder träumen. In der Ausstellung finden Sie den Traum eines deutschen Vaters, der auf die Nachricht der Geburt seines dänischen Sohnes wartet. Und er scheint sehr glücklich mit dem Kind !

Aber ich möchte realistisch bleiben und einiges erwähnen, das aus meiner historischen Forschung hervortritt. Dabei werde ich chronologisch vorgehen, vom Entdecken der Schwangerschaft bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gab natürlich was ich Kriegstrauungen nenne, das heißt Männer und Frauen die einander wahrscheinlich nie begegnet hätten ohne dieses Kriegsverfahren, das irgendwo einer Völkerwanderung ähnelt.

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Hier sehen sie spielende Kinder in Berlin eine Heirat nachahmen. Daneben findet am Ende des Krieges in Eupen (Ost-Belgien) eine Heirat einer Bewohnerin aus Eupen mit einem amerikanischen Soldaten statt. (Dieses Teil Belgiens war in 1940 vom Dritten Reich annektiert. Dort lebt die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens.) Während der deutschen Besatzung war es aber nicht leicht für die Heiratslustigen. Vielleicht erinnern Sie sich das belgische Lebensbornkind, dessen Mutter auch noch ihre Geschichte erzählte :

„Höre mal, es gab Heiratspläne. Aber weißt du, er hatte das Unglück einen Kommandanten zu haben – der war ein Mistkerl. ‚Kommt überhaupt nicht in Frage, ein Mädchen von hier zu heiraten“ sagte dieser Kommandant… Aber hier konnte man nirgendwo hin um sein Kind zu gebären. In einem Entbindungsheim sollte man sagen, wer der Vater war und das konnte man doch nicht sagen. Er ist dann zum Fürsorgeamt der Armee gegangen – und jener Mann hat mir geholfen.“

Dann gibt es noch diese andere Geschichte aus Antwerpen. Marions Mutter hatte ihren Freund aus der deutschen Marine auf der Tanzfläche begegnet. Er

war ziemlich älter als sie, aber das machte nichts aus : es war Liebe. Sie ist auch nach Deutschland arbeiten gegangen, weil sie prüfen möchte, ob sie sich dem Land angewöhnen konnte. Inzwischen war der Heiratsantrag von ihrem Freund gestellt worden. Aber Berlin verweigerte die Heirat, weil ein Oheim der Braut einmal wegen Diebstahl verurteilt wurde. Dann hatten die Marinekameraden ihnen geraten, ein Kind zu zeugen. Nichts nützte : Berlin weigerte entschieden die Genehmigung zu geben. Jetzt war aber das Kind unterwegs. Noch nach dem Krieg ist der Vater zu seinem Mädchen in Antwerpen gekommen, bis die Mutter ihn fragte nicht mehr zu kommen : sie hatte einen Belgier geheiratet und sie befürchtete das Kind in Verwirrung zu bringen.

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Es gab Männer die ihre Kinder anerkannten, besonders in dem annektierten Ost-Belgien, wo die deutsche Gesetzgebung gültig war. Die wichtigsten

Unterschiede mit der belgischen Gesetzgebung sind :

1. Abstammung : in der deutschen Gesetzgebung bekam das Kind den Familiennamen der Mutter; es gab keine Anerkennung; das Kind gehörte der Familie seiner Mutter an ( Art. 1705 : „Das uneheliche Kind hat im Verhältnisse zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes“, und Art. 1706 : „Das uneheliche Kind erhält den Familiennamen der Mutter“); wenn volljährig, wurde die Mutter Vormund ihres Kindes; wenn minderjährig, dann ist das Jugendamt gesetzlicher Amtsvormund;

2. Vaterschaftssuche : war in Belgien nur in Ausnahmefällen möglich; wenn er nicht verheiratet war, konnte ein Vater auch sein Kind anerkennen und dann wurde keine Vormundschaft vorgesehen und hatte das Kind dieselben Rechte als ein eheliches Kind; Bemerkung : diese Unmöglichkeit der Vaterschaftssuche erklärt, dass die Beamten des Vormundschaftsamts in Deutschland die Frau zum Beispiel den Namen des belgischen Besatzungssoldaten nach dem Weltkrieg nicht fragten.

3. Vaterschaftsanerkennung ist nicht dasselbe als Anerkennung des Kindes (Art. 1589 : „Ein uneheliches Kind und dessen Vater gelten nicht als

verwandt“); sie verpflichtete den Vater (Art. 1708 und 1716) bis zum 16. Lebensjahr des Kindes seinen Unterhalt zu zahlen, manchmal auch die

Entbindungskosten und den Unterhalt der Mutter während der sechs Wochen nach der Geburt;

4. Im deutschen Recht gibt es keinen Gegenvormund. Die vorher belgischen Mütter waren es nicht gewöhnt solche umfassende Fragebogen auszufüllen, die den Formularen vor 1926 sehr ähnlich aussahen, aber fast unmerkbar verrutschten : deutschblütig und arisch werden wichtige Merkmale. Die Vaterschaftssuche geschah sehr ernsthaft.

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Es gab natürlich Männer – und wahrscheinlich auch Frauen – die keine Lust hatten zu heiraten, auch schon weil sie sich im Klaren waren, was es bedeutete eine(n) FeindIn zu heiraten. Merkwürdig bleiben daher die Bigamiefälle, sowohl von deutschen und später westalliierten Soldaten, als in Deutschland von (Zwangs)Arbeitern aus Belgien. Auch Frauen wagten sich an Bigamie. In den Archivunterlagen in Belgien stelle ich fest, dass der Staatsanwalt diese doppelten Ehen nach dem Krieg für null und nichtig erklärte. Die Folgen waren besonders schwer für die eventuellen Kinder, die unehelich und/oder außerehelich wurden – aus Ehebruch geboren.

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Aber der Führer und sein Reichsministerium für Propaganda haben sein populistisches Erscheinen als Menschenfreund gefördert. Am 4. November 1939 wurde deutlich welche Lösungen das Dritte Reich für dringende Fälle erdacht hatte, wenn der Mann den Kampfplatz nicht verlassen konnte/dürfte : die Fernehe – Der Soldat konnte seinen „Willen, die Ehe mit der von ihm bestimmt bezeichneten Frau einzugehen“, seinem Bataillonskommandanten schriftlich erklären. Diese Willenserklärung wurde im Feld zu einer Art Trauungszeremonie stilisiert, mit Trauzeugen vor dem Foto der Verlobten. Nachdem der abwesende Soldat die entsprechenden Papiere eingereicht hatte, vollzog der Standesbeamte am Wohnort der Verlobten die Eheschließung dadurch, dass er ihre Erklärung, dass sie die Ehe mit dem entsprechenden Mann eingehen wollte, beurkundete.

(Auf dem Bild, links : Mussehe, Mitte : der Mann war nicht anwesend; rechts : die Heiratsakte einer Fernehe, und vergrößert : „haben heute vor dem unterzeichneten Standesbeamten die Ehe geschlossen. Der Mann hat gemäß der Personenstandsverordnung der Wehrmacht seinen Willen, die Ehe einzugehen am 26. November 1942 zur Niederschrift des Bataillonskommandeurs erklärt. Die Frau hat heute die Frage des Standesbeamten, ob sie die Ehe mit …

eingehen wolle, bejaht.“)

Stellte sich später heraus, dass zu diesem Zeitpunkt der Verlobte bereits gefallen war, galt die Ehe dennoch, allerdings wurde ihr Beginn auf den Tag der

schriftlichen Erklärung des Mannes rückdatiert. Euphemistisch wurde solche Ehe „nachträgliche Eheschließung“ genannt.

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(Vergrößerungen im Mitte; links : man beabsichtigt eine Leichentrauung) Ein aus einer solchen Verbindung hervorgegangenes Kind, das in der Zeitlücke zwischen Niederschrift des Vaters und der standesamtlichen Erklärung der Mutter zur Welt kam, wurde am Todestag des Vaters ehelich. Am 6. November 1941 war der Erlass des Führers erschienen, der die Anordnung der nachträglichen Eheschließung gefallener Soldaten betrifft : „Ich ermächtige Sie, die nachträgliche Eheschließung von Frauen mit gefallenen oder im Felde verstorbenen Wehrmachtsangehörigen anzuordnen, wenn nachweisbar die ernstliche Absicht, die Ehe einzugehen, bestanden hat und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Absicht vor dem Tode aufgegeben ist. Für Berufssoldaten ist die Zustimmung des Oberkommandos der Wehrmacht einzuholen. Eine Veröffentlichung dieser Anordnung hat zu unterbleiben.“ ( gez. Adolf Hitler [der Führer], Dr. Lammers [der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei], Keitel [der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht]) – Der geheime Führer-Erlass behielt auch noch nach 1945 seine Gültigkeit.

Leichentrauung wurde vom NS-Staat als ein Mittel gegen uneheliche Mutterschaft und die Gefahr der „Abstammungsverschleierung“ gesehen. [Um die Ehre des toten Soldaten zu schützen wurde am 18. März 1943 sein Recht, sich von seiner „unwürdigen“ Witwe scheiden zu lassen eingeführt. Ab 1939 befasste die Akademie für Deutsches Recht (1933 gegründet) sich mit der Erarbeitung eines Volksgesetzbuchs.] Aber aus den zahlreichen von Archivunterlagen bestätigten Fernehen und nachträglichen Eheschließungen kommt hervor, dass die Männer sich oft tatsächlich um den von ihnen gezeugten Kindern und ihre Mütter gekümmert haben. Das Dritte Reich hat es ihnen nicht leicht gemacht. Obwohl es auch Männer gab, die versprochen hatten einen Heiratsantrag zu stellen, aber die Archivunterlagen beweisen, dass sie es unterlassen hatten. Andere leugneten ihre Vaterschaft, und Amtsgericht und Wehrmacht brauchten alle Mittel, wie auch das Argument der „Ehre des deutschen Mannes“ und eine gerichtliche Verurteilung um sie auf andere Gedanken zu bringen. Was nicht immer bedeutete dass sie für ihr Kind Unterhaltskosten zahlten.


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Wie war das Verhalten dieser Männer in den Besatzungsgebieten? Das Gesamtbild gleicht wahrscheinlich einerlei Durchschnittsbild einer Männergruppe, und hängt eng von ihrer Lage und den Beziehungen ab. Als Quellen verfüge ich über wenige Aussagen ihrer Freundinnen, viele ihrer Kinder, die aber von den Geschichten ihrer Mütter und/oder der Umgebung ausgehen, und die Beurteilungen ihrer Wehrmachthierarchie.

Die Mutter des schon erwähnten Lebensbornkindes, die ihr Verhältnis als ihre „erste große Liebe“ einschätzte, fragte ich : „War er ein schöner Bursche?“ Ihre Antwort ist deutlich : „Ja, ja, er war wunderschön; er war ein furchtbar schöner Bursche. Er war ein sehr schöner Soldat, ja. Und diese schöne Uniform der Luftwaffe. Und immer so sauber.“ – War er groß? – „Na, ziemlich, er passte zu mir.“ – Hatte er blaue Augen? – „Er war einer mit blauen Augen. Ja, es war ein schöner Kerl. In meinen Augen der schönste den es gab …“ Sie erinnerte sich den Mann und während sie mit mir über ihn sprach glitzerten ihre Augen noch.

Die andere Mutter die ich interviewt habe, hatte zwei Wehrmachtangehörigen frequentiert, und ihre Darstellung ist ziemlich mehr nuanciert : der Erzeuger ihres Sohnes sah als Offizier sehr gut aus, aber er trat so harsch und autoritär seine Mannschaft gegenüber auf! Übrigens ist er ohne weiteres abgehauen und sie blieb schwanger zurück. Der einfache Soldat, den sie später kennenlernte, sah nicht so elegant aus, aber er war lieb und hilfsbereit. Er hat sich öfters mit ihrem Jungen beschäftigt, wenn sie zur Arbeit gehen musste. Während seines Militärdienstes in Deutschland hat ihr Sohn ihn später mehrfach besucht.

In den Wehrmachtbeurteilungen gibt es drei Teile :

a) Leistungen im Waffen- bzw. Fachdienst

b) Allgemein militärische Leistungen und Eigenschaften

c) Charakter und Eigenschaften.

Aber Wehrmachtangehörigen bekamen auch eine ärztliche Akte, wenn sie krank waren oder verwundet wurden. Diese Akten möchten mal näher von Forschern eingesehen werden, denn neben Verwundungen, scheinen einige Krankheiten mehr vorzukommen als andere. Die Akten bestätigen zum Beispiel, dass die Soldaten sich öfters eine Geschlechtskrankheit geholt haben. Was nur ein allgemeines Problem illustriert, das nach dem Krieg besonders akut wurde, wie ich in den Archivakten des Landesarchivs Berlin feststellen konnte.


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Wie stark ein Liebesverhältnis die Leistungen in der Wehrmacht beeinflussen konnte, zeigt folgendes Beispiel. Der Gefreiter Herbert Mond bekommt im April 1941 diese Beurteilung : „Offener, ehrlicher, bescheidener Soldat, der mit Interesse bei jedem Dienst ist. Leicht zu leiten, reagiert auf Lob und Tadel. Durchschnittlich begabt. Bei Kameraden beliebt. Seine militärischen Leistungen, Haltung und Formen sind gut. Arbeitet sauber und gewissenhaft.

Gute Dienstauffassung. Er ist bestrebt, in allen Dienstzweigen nur gute Leistungen zu erzielen. Gute Zeugwirtschaft. Diensttüchtigkeit : -6- (ziemlich

gut). Gesamturteil aus a) bis c)“. Im März 1942 ist das Gesamturteil noch besser und bekommt er ein -7-. Aber genau ein Jahr später heißt es : „Äußerliches milit. Benehmen und Auftreten genügt den Anforderungen. In seiner innerlichen Haltung jedoch in keinster Weise Soldat. Gute Dienstauffassung wird nur im Hinblick auf Augendienerei gezeigt. Undurchsichtiger, unaufrichtiger und nicht immer ehrlicher und offener Charakter. Schlau und gerissen mit überdurchschnittlicher Begabung. Wenn M. nicht diese offenbaren Charakterfehler, die er zeitweise durch Blenderei geschickt zu verbergen verstand, besitzen würde, könnte er sehr viel auf seinem Fachgebiet leisten. Strengste Aufsicht und hartes militärisches Anfassen ist daher notwendig.“

Übrigens hat Herbert Mond im Februar 1943 sieben Tage Arrest „wegen Nichtausführung eines gegebenen Befehls“ und „wegen Schädigung des Ansehens der Kriegsmarine“ bekommen. Was ist inzwischen geschehen? Er erzählt es selbst in seinem Gesuch über Erteilung der Heiratserlaubnis, denn er hat in Nord-Frankreich eine Französin kennengelernt und mit ihr im Sanitätslager zusammengearbeitet. „Die ständige Zusammenarbeit brachte uns gegenseitig näher, sodass wir uns im Laufe der Zeit klar darüber wurden, dass uns schon mehr verband als nur gegenseitige Sympathie. Wir haben beide in der bald darauf folgenden Zeit unserer Trennung nach meiner Abkommandierung ehrlich gegen unser Gefühl angekämpft und haben, einer getrennt von dem andern, uns die ganzen Schwierigkeiten eines Verhältnisses zwischen uns beiden vor Augen geführt. Trotz allem kamen wir zu der Überzeugung, dass unser Gefühl stärker sein würde als jede Schwierigkeit, die sich uns in den Weg stellen könnte. … Seit dem März 1942 ist meine Braut gravid. Wenn auch in Anbetracht der Tatsachen der Verzicht auf die Erfüllung unseres beiderseitigen Wunsches nach einem Kind nahe lag, so blieb trotzdem das Verlangen in uns stärker, unserem Verhältnis durch ein Kind seinen vollen Sinn zu geben. Meine Braut hat immer wieder ihren festen Willen betont, die schwere Last auf sich zu nehmen, die entstehen würde, wenn ich fallen sollte, ohne dass es mir möglich gewesen wäre, für sie und das Kind zu sorgen oder mir die Genehmigung verweigert würde, sie zu ehelichen.“

Den Grund des Arrestes wird weiter erklärt :

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Vielleicht habe ich mit jenem Beispiel viel von Ihrer Zeit genommen, aber viele Kriegskinder wären glücklich soviel über ihre Eltern und besonders über ihren Vater, den die meisten nie finden werden, lesen zu können. Auch wenn nicht alle Väter um das Wohlergehen ihrer Partnerin und ihres Kindes soviel Besorgnis zeigten. Die deutschen Wehrmachtsoldaten waren also nicht nur höflich und schickten sehr militärische Neujahrswünsche nach ihren Geliebten, sondern sie konnten auch für ihre Liebe und deren Folgen eintreten!

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So komme ich zu einer letzten Frage : was geschah nach dem Krieg? Überall war die Zeit nach dem Krieg eine schwere Periode der Wiederaufbau nicht nur der Städte, sondern auch der Familienverhältnisse. Beiderseits waren viele Männer gefallen. Jedoch haben manche Kriegskinder ihren Vater wiedergefunden. Wie haben diese Väter dann reagiert? Der Mann rechts unten war Bürgermeister in seinem Städtchen. Er war Vater eines belgischen Zwillings. Er war sehr stolz mit seiner Tochter Arm in Arm spazieren zu gehen, aber seine ersten Worte waren : „Von mir sollst du nichts erwarten. Du bekommst nichts“. Seinem Sohn war er ziemlich gleichgültig gegenüber. Den Vater links hat das Kriegskind nur später begegnet, denn er war mit seiner neuen Familie nach Australien emigriert. Erst kam die Begegnung mit den Großeltern : der Großvater war umso glücklich, weil er seinen Sohn nicht viel sehen konnte, aber die Großmutter blieb lange Zeit sehr argwöhnisch. Als dann die Begegnung mit dem Vater stattgefunden hat, ja, sagt der Sohn, er wusste nicht genau was mit mir anzufangen.

Viel tragischer aber sind die Begegnungen von drei Frauen. Sie haben es nicht gewagt die Geschichte aufnehmen zu lassen und ihre Stimme stockte während sie erzählten. Die Erste war siebzehn und erwartete viel von der Begegnung, weil die Beziehungen zu ihrer Mutter schwer waren. Ihr Vater hat sie ins Restaurant eingeladen, gutes Menü mit kostspieligem Wein; dann sind sie ins Hotel hochgegangen und er hat sie vergewaltigt… Sie war ihre Mutter so ähnlich!

Die Zweite war sechzehn, fühlte sich so unwohl, dass ihre Mutter ihr letztendlich vorgeschlagen hat zusammen den Vater zu suchen. Es war nicht leicht ihn aus der damaligen DDR nach der Bundesrepublik kommen zu lassen. Mit der Hilfe einer Freundin ist es doch gelungen. Jahrelang hat der Vater mit seiner Tochter sexuelle Beziehungen gehabt, bis das Mädchen ihm ihren Verlobten vorgestellt hat und mit dem Verhältnis selbst Halt gemacht hat. Am Ende seines Lebens hat der Vater ihr erklärt : „ich habe dich immer geliebt“. Auch er hatte in seine Tochter die frühere Geliebte gesehen…

Das dritte Mädchen hatte schon als Kind ihre Mutter verloren, hatte keine Verwandten mehr, ging als vierzehnjährige auf der Vatersuche. Sie fand ihn. Er war inzwischen verheiratet, hatte keine anderen Kinder. Sie sah ganz anders aus als ihre Mutter. Der Vater hat ihr vorgeschlagen, sie „die Dinge des Lebens“ zu lehren. Aus diesem Unterricht ist ein Sohn geboren… Die Ehefrau hat den Mann angeklagt und er wurde in Deutschland verurteilt.


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Kriegskinder wiegen sich oft in Illusionen über den fehlenden Vater; viele hegen auch Ängste was die Taten ihres Vaters betrifft. Es ist wichtig sich darin einig zu sein : welche auch die politische Ansichten und/oder Taten unserer Eltern, und besonders unseres Vaters seien, daran haben die Kinder keine Schuld. Nur dann hört der Vater auf unserer Feind zu sein. Wird er weniger unbekannt? Ich weiß es nicht, denn bleiben wir nicht alle unbekannt, auch für uns selbst? Aber die Frage des Sängers – Kriegskindes, Gérard Lenorman, behält ihre Gültigkeit : Warum mein Vater, warum…?