Auch 71 Jahre nach Kriegsende sind die Folgen dieses Krieges für einige Menschen immer noch von immenser Bedeutung.

Dies wurde wieder besonders deutlich beim Regionaltreffen des Vereins „ Coeurs sans Frontieres – Herzen ohne Grenzen“. Dieser Verein – gegründet vor 10 Jahren in Frankreich- hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen, deren Väter entweder Kriegsgefangene oder deutsche oder französische Besatzungssoldaten waren, diesseits und jenseits der deutsch-französischen Grenze bei der Suche nach dem leiblichen Vater zu helfen und beizustehen.

Es stellt sich natürlich die Frage, warum erst jetzt. Ein Großteil der Eltern sind tot oder, die die noch leben, können oder wollen sich oft nicht erinnern. Das Verstummen der Mütter, das Trauma der ausgestandenen „ Schande“, die Mühen, ein uneheliches Kind alleine großzuziehen sitzt bei den noch lebenden „Wissen“ immer noch sehr tief.

So ist es für die Mitglieder tröstlich und hilfreich, Menschen neben sich zu haben, die das gleiche Schicksal haben und sich gegenseitig mit Rat und Tat zu helfen.

Sei es bei Recherchen in den Archiven des Militärs, bei Behörden oder bei Historikern, oder einfach nur ein mitfühlendes Ohr zu finden. Nicht genug hervorheben kann man das ehrenamtliche Engagement der Mitglieder, die oft nur mit Fragmenten, Vor oder Nachnamen, oder schwammigen Angaben wie „Vielleicht, Könnte, evtl., weiß nicht genau“ auf den langen Weg der Recherche geschickt werden. So wurden im Laufe der letzten 10 Jahre etliche Familien wieder zusammen geführt.

Die Frage, warum erst jetzt, lässt sich vielleicht so erklären, das wir alle in jungen Jahren mit der Ausbildung, dem Vorantreiben der Karriere, dem Aufbau einer Familie, der Erziehung der Kinder und ähnlichen Dingen voll ausgelastet waren.

Jetzt im Alter, nachdem das aktive Arbeitsleben abgeschlossen ist, die verbleibende Zeit überschaubar, wird die Frage nach der eigenen Identität, “Wo komme ich her, warum bin ich so wie ich bin, ist das anerzogen oder sind das ererbte Verhaltenemuster“ für alle diese Fragen ist jetzt genügend Raum und Zeit. Kennen wir doch nur die eine Seite unseres Seins. Schließlich bestehen wir doch aus den Anlagen von Vater und Mutter.

Auch wenn es schmerzlich ist, nach einem Menschen zu suchen, an den wir keine Erinnerung haben, der sich in sein Heimatland abgesetzt hat, häufig wissend, dass er eine Frau ohne Unterstützung und mit einen Baby oder Kleinkind zurück ließ, die der Häme und Erniedrigung durch ihre Umgebung ausgesetzt war, bleibt die Suche nach dem oft idealisierten Vater eine lebenslange Sehnsucht.

Es ließe sich noch viel sagen über den Mut und die Courage unsere Mütter, über unsere Kindheit ohne Vater und mit den Kommentaren der „lieben Mitmenschen und Mitschüler“ wobei auch schon mal das Wort „Bastard“ viel, oder dem Getuschel, das aprupt endete, sobald man in die Nähe kam.

Aus all dem haben wir unseren Charakter geformt und wollen endlich, auch für uns selbst, vollständig sein. Daher die große Suche nach der gesamten Identität. Und deshalb ist es,- gerade jetzt,- so wichtig, sich länderübergreifend zu helfen und auch Nicht- betroffenen begreiflich zu machen, das Krieg und Zerstörung nicht mit dem Unterzeichnen des Friedensvertrages enden, sondern auch Jahrzehnte später immer noch ihre Spätfolgen zeigen.

Meggie Beck

Regionaltreffen von „coeur sans frontieres“- „Herzen ohne Grenzen“

in Obersasbach-Hochfelden am 21.-22.05. 2016