Auch ohne meinen Vater zu kennen, fühle ich mich von ihm ständig angetrieben.

Auch wenn er nicht anwesend ist, ist er doch da.

Und doch kann ich nichts über ihn sagen, nur dass er existiert hat.

Während der Besetzungszeit war er da, ja leibhaftig da.

Jemand hat mir gesagt :

« Es war die Kommandatur. Wachposten waren Tag und Nacht um das Schloss herum aufgestellt. Die Soldaten besetzten die ganze erste Etage. Sie waren jung. Sie waren nett. »

Und dennoch war man erleichtert, als sie um 9 Uhr morgens abzogen.

Die Amerikaner trafen um 11Uhr ein.

Und so bist Du von mir gegangen,

ich wage nicht zu sagen, du hast mich verlassen,

Du bist Deiner Truppe gefolgt

hast Befehlen gehorcht.

Warst Du es, der befehligt hat ?

So ist es nun einmal.

Ich könnte es Dir übel nehmen

Ich habe es Dir sehr übel genommen

Ich nehme es Dir immer noch übel

Was eigentlich genau ?

Ich weiss es nicht recht.

Meine Mutter geliebt zu haben ?

Etwas anderes getan zu haben als Krieg führen?

Das Risiko eingegangen zu sein, ein Kind zu zeugen ?

Hast Du daran gedacht?

Woran hast Du gedacht?

Konntest Du überhaupt noch denken ?

Es war doch eine Zeit, die zum Nachdenken Anlass gab,

Über den Menschen, über die Lebnssituation der Menschen.

Die Welt hatte ihre Orientierungspunkte verloren,

diese Zeit begünstigte Unmenschlichkeit.

Ich bin in eine unmenschliche Situation geraten :

Kleines, lästiges Wesen, Platz einnehmend, unfassbar;

Das kommt mir komisch vor, »unfassbar», wo ich doch schon “fassbar” war.

Zweifellos unbewusst, unfreiwillig, aber dennoch fassbar, gezeugt.

Also war meine Existenz, ist sie fassbar.

Ich habe das Recht auf eine Existenz.

Um ehrlich zu sein, ich habe es noch nicht geschafft, Dir wirklich böse zu sein.

Ich hatte einfach noch nicht die Zeit dazu, so beschäftigt war ich damit, meiner Mutter böse zu sein;

Der, die ich für meine Mutter hielt,

Der, die es wirklich war.

Dem, der mein Vater hätte sein können,

Dem, der Deinen Platz eingenommen hat.

Wie haben sie das tun können?

Wie konnten sie es wagen?

Mich an andere abzugeben?

Mir Vornamen ohne Erklärungen zu geben,

Mich einen anderen Namen tragen zu lassen als den, der mir zustünde,

Welchen Namen hätte ich wirklich tragen sollen ?

Wie war der Name meines Vaters ?

Wie war Dein Name?

Ich habe es den Frauen in der Familie sehr übel genommen,

Ich habe vergessen, es den Männern der Familie übel zu nehmen.

Heute noch, weiβ ich nichts von Dir.

So gerne wüsste ich wer Du warst, wie Du geheiβen hast,

wie Du gedacht hast, wie Du die Ereignisse erlebt hast,

gezwungen wie Ihr wart Ihr anderen Deutschen,

Thesen anzuhängen, die jegliches Verständnis übersteigen.

Konntest Du die Befehle ruhig ausführen ?

Aber unabhängig von den Umständen,

Du warst mein Vater,

Du bist mein Vater,

Und ich liebe Dich.

Mach Dir aber keine Sorgen,

Verlassen war ich nicht wirklich:

Ich hatte ja einen Vater,

ich hatte eine Mutter

Sie haben ihr Bestes gegeben, waren immer an meiner Seite.

Und heute habe ich mir eine Identität aufgebaut.

Sicher, Deine Gene, die meiner Mutter

Und vor allem und hauptsächlich

die Persönlichkeiten meiner Mama, meines Papas,

Werte, die sie vermittelt haben.

Und trotz der schmerzlichen Situation und des ungelüfteten Geheimnisses

haben sie ihren Auftrag erfüllt, das muss ich ihnen lassen

Und trotzdem, wie gerne würde ich eines Tages lernen, Dich kennenzulernen.

Geneviève.