Thierry SOUDAN

Am 13 Mai 2019 teilten uns Marlene Markert und Georges Roume von dem Verein Herzen ohne
Grenzen mit, dass die Nachricht, die auf das Grab meines Vaters Ludwig Christ gelegt wurde, von
seinem Sohn Manfred, meinem Bruder, gefunden worden ist.

Mit großem Erstaunen und viel Freude im Herzen habe ich vor einem Jahr erfahren, dass ich deutsche Geschwister habe und dass ich endlich etwas über meinen Vater erfahren könnte.

Für jeden Menschen, der seinen Vater nicht kennt, ist es ein grundlegendes Bedürfnis seinen Ursprung zu finden wo immer er auch sein mag. Deshalb habe ich während vieler Jahre nach meinem biologischen Vater gesucht. Als ich in den 1990 er Jahren meinen Familienstammbaum erstellen wollte, habe ich etwas über meine Herkunft erfahren. Das ist der Moment als meine Geburtsurkunde, die ich noch nie in den Händen hatte, mir offenbarte, dass ich einen unbekannten Vater hatte. Seit diesem Tag, es sind seitdem fast 30 Jahre vergangen, habe ich Nachforschungen innerhalb meines familiären Umfeldes angestellt, um Auskünfte zu erhalten.

Dank des Vereins Herzen ohne Grenzen   bin ich endlich 2019 meiner Schwester , meinem Bruder und ihren Familien mit großen Gefühlen und einer unendlichen Freude begegnet, die mich mit viel Liebe empfangen haben, was mich sehr berührt hat.

Ich bin am 19. Oktober 1942 in Paris geboren mit unbekanntem Vater, erst im Alter von 60 Jahren hatte ich meine detaillierte Geburtsurkunde in den Händen. ( In Frankreich gibt es zwei verschiedene Arten von Geburtsurkunden: erstens das extrait de naissance, wo Name , Datum und Ort der Geburt, Eltern und Zeugen verzeichnet sind und zweitens acte de naissance intégral, eine Art ausführlichere Geburtsurkunde, in der alle Lebensdaten des Betreffenden bis zu seinem Tod verzeichnet sind, Anmerkung der Übersetzerin)

Ich habe meine Kindheit mit meinem Vater verbracht, der mich als seinen Sohn seit der Hochzeit mit meiner Mutter, ich war sechs Jahre alt,  angenommen hat. Aber ich habe immer gefühlt, ich weiß nicht warum, dass es vielleicht nicht mein biologischer Vater war.

der Artikel von Stefan SESSLER Münchner Merkur aus München

der Artikel von Stefan SESSLER
Münchner Merkur aus München

Dieser Text ist auszugsweise eine Übersetzung des Artikels von Stefan Sessler, Münchner Merkur. Traudl, meine Schwester, hat diesen Journalisten getroffen und sie hat ihm unsere deutsch-französische Geschichte erzählt. Dieser Text wurde etwas umgestaltet und verändert, um coeurs sans frontieres , Herzen ohne Grenzen, zur Verfügung gestellt werden zu können.

der Artikel von Stefan SESSLER Münchner Merkur aus München

der Artikel von Stefan SESSLER
Münchner Merkur aus München

Ludwig CHRIST

Mein Vater, Ludwig CHRIST

Ein Teil von Thierrys Foto in Ludwigs Album

Ein Teil von Thierrys Foto in Ludwigs Album

Dieser Text ist auszugsweise eine Übersetzung des Artikels von Stefan Sessler, Münchner Merkur. Traudl, meine Schwester, hat diesen Journalisten getroffen und sie hat ihm unsere deutsch-französische Geschichte erzählt. Dieser Text wurde etwas umgestaltet und verändert, um coeurs sans frontieres , Herzen ohne Grenzen, zur Verfügung gestellt werden zu können.
 
Mein Vater Ludwig ist am 8. Februar 1999 in München gestorben, gerade einige Jahre bevor ich meine wahre Identität und Geschichte entdeckt habe. Ludwig wurde im Jahre 1912 in Liebenstadt geboren als Sohn eines Bauern. Sein Vater starb an der spanischen Grippe. Zunächst war er Schuhmachergeselle, anschließend Soldat, der von 1934 an zuerst zur Reichswehr, dann zur Wehrmacht gehörte.

Nach dem Krieg heiratet er Anna , Tochter eines Lebensmittelhändlers in München -Obermenzing. Sie haben zwei Kinder. Waltraut und Manfred. Seine Leidenschaft ist die Bienenzucht. Er liebt den Kognak, die französische Küche und Boris Becker. Er ist mit Leib und Seele Katholik und erforscht mehr als 50 Bienenvölker. Eigentlich ein ganz normales bayrisches Leben.

Nach meinen ganzen fruchtlosen Nachforschungen stößt meine Tochter Karine im Jahre 2018 auf die Seite des Vereins Herzen ohne Grenzen  als sie sich über das Thema Kriegskinder informiert.

Georges Roume aus dem Departement Drome in Frankreich und Marlene Märkert aus Fürstenfeldbruck, beides Mitglieder des Vereins Herzen ohne Grenzen, machen sich an die Arbeit. Sie haben zahlreiche Hinweise, sie sind sicher etwas zu finden. Marlene wird das Grab von Ludwig finden.

Wie ich auch schon vorher hat Marlene alle Familien mit dem Nachnamen Christ aus dem Telefonbuch von München angerufen, vergeblich. ( Sie ist es , Marlene, die alle Geschwister vereint, ein Engel der internationalen Verständigung 74 Jahre nach Kriegsende) Sie hat letztendlich das Grab wiedergefunden indem sie sich an alle großen Bestattungsinstitute von München gewandt hat. Marlene von dem Verein Herzen ohne Grenzen hat eine Notiz zurückgelassen: „ Lieber Besucher des Grabes, eine französische Familie sucht Herrn Christ. Ich habe das Grab jetzt gefunden. Es wäre gut wenn Sie Kontakt mit mir aufnehmen würden.“ Dies hat sie mit der Hand auf ein Stück Papier mit ihrer Telefonnummer geschrieben. Dieses Stück Papier wurde auf dem Friedhof von Obermenzingen, geschützt durch eine Plastikfolie, unter einen Stein gelegt.

Waltraut Maurer (Traudl), 66 Jahre alt, ist die Tochter von Ludwig Christ. Die pensionierte Lehrerin ist bei sich zu Hause in Schweitenkirchen, Pfaffenhofen an der Ilm. Sie hat eine Kopie des Papieres in der Hand, das ihr Leben umgekrempelt hat. Sie sagt:

“ Ich dachte, wir waren eine ganz normale Familie. Vater, Mutter und zwei Kinder. Dass es ein Geheimnis gab war unvorstellbar.

Die Familie CHRIST - "Eine normale Familie" - Bilder aus dem Artikel im Münchner Merkur

Die Familie CHRIST – „Eine normale Familie“ – Bilder aus dem Artikel im Münchner Merkur

Mein Vater Ludwig und meine Schwester Traudl

Mein Vater Ludwig und meine Schwester Traudl

Traudl et/und Manfred

Traudl et/und Manfred

Manfred und Thierry und ihre Liebe zu Bienenstöcken

Manfred und Thierry und ihre Liebe zu Bienenstöcken

Traudl und Thierry

Taudl und Thierry

Ihr älterer Bruder Manfred lebt in Gröbenzell und kümmert sich um das Grab des Vaters. Kurz nach Ostern findet er den Zettel und ruft die angegebene Nummer an. Er verkündet seiner Schwester am Telefon:

“ Waltraut, wir haben einen Halbbruder in Frankreich. Er lebt auf einer Insel in der Nähe von la Rochelle.“

Einen Halbbruder von dem sie noch nie etwas gehört hatten. Sein Name: Thierry, geboren am 19. Oktober 1942. Ein Kriegskind, dieses Jahr 77 Jahre alt. Am selben Abend treffen sich Bruder und Schwester in Schweitenkirchen. Manfred legt 40 Kilometer zurück, um seine Schwester zu treffen und dieses unglaubliche Ereignis zu feiern. Die bayrischen Geschwister trinken Champagner. Die Freude ist viel größer als der Schock. Am Abend ruft Traudl mit klopfendem Herzen in Frankreich an, erzählt sie. Aber ich habe nicht abgehoben. Stattdessen verkündet eine bayrische Stimme „Verbindung unmöglich“ Traudl hat die französische Vorwahl vergessen, sie versucht es noch einmal , diesmal mit der 0033 am Anfang. Es klingelt. Keiner hebt ab. Der Abend spult sich in ihrem Köpfen wie ein Film ab. Manfred und Traudl suchen in ihrer Erinnerung. Ihr Vater, hat er etwas erzählt? Von Frankreich? Ein Kind? Eine Frau ? Ihr Geist wird überwältigt von Gefühlen. Ich und Traudl werden morgen telefonieren, ein unvergesslicher Moment für beide, Traudl spricht Französisch. Ein kurzer Austausch , aber mit übermächtigen Gefühlen für uns beide.

Mein biologischer Vater Ludwig war drei Jahre als Soldat in Frankreich. Er war Maschinist bei der Luftwaffe. Zum Sergeant Major befördert im Jahre 1942 lebte er für drei Jahre in Angerville, ein Dorf zwischen Orleans und Paris. Die Franzosen nannten ihn den großen Louis , weil er groß und dünn war und eine gute Figur machte in der Uniform der Wehrmacht.

In Angerville freundet sich Ludwig mit meinem Onkel Andre Millan an. Seine Mutter, meine Großmutter, führt ein Cafe. Dort spielt der Soldat Dame, trinkt Wein und verliebt sich in Eliane, die Tochter des Eigentümers. Er ist 29 Jahre alt, sie 17.  Eliane wird schwanger und wird sofort nach Paris zu ihrer Familie geschickt. Kind eines Deutschen, von einem nationalsozialistischen Besatzer, eine unmögliche Verbindung im Jahr 1942.

Als ich sechs Jahre alt war, begegnet Eliane, Mama, Jacques Soudan, sie heiraten. Jacques erkennt mich, Thierry, als seinen Sohn an.

Waltraut und Manfred nehmen sich wieder der Akten ihres Vaters an. Sie durchforsten die Archive. Sie kennen bereits die Fotos, aber dieses Mal betrachten sie sie mit anderen Augen. Auf der letzten Seite des Fotoalbums befindet sich in der Mitte ein einziges Foto, das eines Kindes. Ein kleiner sehr brauner Junge in kurzen Hosen. Ein Junge in einer Bekleidung aus Wolle und mit einem überraschten Gesichtsausdruck. Auf die Rückseite des Bildes ist ein Name geschrieben: Thierry Millan.

Auf die eine oder andere Weise war ich immer bei ihnen. Ludwig hat dieses Foto aufgehoben.

Meine Halbgeschwister kennen ihre wahre Familiengeschichte seit einigen Monaten. Ich habe mein ganzes Leben gesucht. Ich habe ihnen gesagt: “ Ich hatte immer das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmig ist.

Meine Mutter Eliane wird mir nie die Wahrheit über meine Geburt gestehen. Auf Grund meiner Beharrlichkeit ist es schließlich mein Onkel, der mir die Wahrheit erzählt:

“ Dein Vater war ein deutscher Soldat.“

Aber mehr hat er nicht erzählt. Mein Onkel gibt mir jedoch die Briefe, die Ludwig Ende des Jahres 1980 nach Angerville geschickt hat. Ludwig hat auch versucht, mich, seinen Sohn zu finden. Ein Austausch hat stattgefunden zwischen Frankreich und Deutschland, aber meine Mutter Eliane hat  immer dagegen gearbeitet.

Ludwig spricht nicht französisch, um in Französisch zu schreiben hilft ihm ein befreundeter Übersetzer. Als die Briefe mir in den 90 er Jahren zurückgegeben werden, sind zahlreiche zerschnitten und gekürzt.

Ich habe kürzlich erfahren, dass meine Mutter Eliane Ludwig geschrieben hat im Jahre 1989 , um ihn  zu bitten zum Wohle seines Sohnes ihn nicht wiederzusehen. Ludwig war schon mehr als 70 Jahre alt! Dieser Brief wurde damals für Ludwig von einer seiner Nachbarinnnen übersetzt, die Französisch sprach. Es ist dieselbe Frau, die 30 Jahre später, den Artikel, den wir hier verwenden in Französiche übersetzt, verfasst von dem Journalisten Stephan Sessler. Wir bedanken uns bei ihr dafür.

Im Jahre 2004 begebe ich mich in die deutsche Botschaft in Paris. Ich erfahre, dass mein Vater in München gelebt hat und 1999 gestorben ist. Mein Onkel und meine Tante haben mir gesagt, dass Ludwig keine Kinder hatte. Ich habe meine Nachforschungen im Jahr 1990 begonnen und dank meiner Tochter und Herzen ohne Grenzen  habe ich meine Geschwister im Jahr 2019 gefunden, fast 30 Jahre später.

Das Leben ist manchmal ein Wunder.

Waltraut Maurer, meine Schwester und mein Bruder Manfred sind auf die Insel d´Oléron gekommen wo ich mit meiner Frau lebe und wo ebenfalls meine ältere Tochter Isabelle lebt,die sie auch treffen konnten. Traudl ist in mein Auto gestiegen und hat gelacht
„ Es riecht nach Wachs und Rauch“ sagt sie. „Wie bei unserem Vater“ 
Ich habe dieselbe Leidenschaft wie mein Vater Ludwig: die Bienen. Wie er bin ich Imker!
Im September bin ich nach Bayern gereist, begleitet von meiner Frau und meiner jüngeren Tochter Karine. Mit meinen Halbgeschwistern haben wir uns um das Grab unseres Vaters versammelt und wir haben sein Geburtsdorf bei Liebenstadt besucht: Heideck.
Ich bin meinem Cousin Willy begegnet, der ebenfalls Imker ist. Als sie mich gesehen hat, hat die Frau von Willy gesagt:
“ Bei ihm sieht man, dass er ein Christ ist
es gibt eine Familienähnlichkeit“.
Wir haben viele Gefühle geteilt, viel Gelächter und viele Begegnungen. Sehr viel Glück.
Während dieses Aufenthaltes in München haben wir ebenfalls das große Vergnügen gehabt, Marlene von Herzen ohne Grenzen zu begegnen.

Ich habe, Wort für Wort, die Akte der Entnazifizierung meines Vaters gelesen, übersetzt von meiner Halbschwester was insbesondere für uns wichtig war.
Traudl arbeitet jeden Tag an ihrem Französisch. Die nächsten Wiedervereinigungen waren schon geplant. Mit ihrem Mann wollte sie eine Spritztour mit dem VW Bus machen. Sie hatte die Angewohnheit es „Ferien“ zu nennen, aber jetzt seit Frankreich dazugehört, bedeutet es Familientreffen. Corona hat unsere Wiedervereinigungen zerbrochen. Aber wir werden uns wiederfinden!!!!!!!!!

Der Verein Herzen ohne Grenzen hat acht Monate gebraucht, um die Familie von Ludwig zu finden. Ich übermittle ihnen noch einmal meine Dankbarkeit und meine Freundschaft. Nichts ist unmöglich.

Meine herzlichen Grüße an alle Mitglieder des Vereins

Thierry Soudan

Marlène MAERKERT und Georges ROUME HOG - CSF

Marlène MAERKERT
und
Georges ROUME
HOG – CSF