Marie-Cécile Zipperling, Hauptsachbearbeiterin , WASt

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Die Deutsche Dienststelle (WASt), in Berlin-Reinickendorf, nahm am 26.08.1939 ihre Tätigkeit auf. Sie ist zweifelsohne die Hauptquelle für namentliche Informationen über den Zweiten Weltkrieg.

Die offizielle Bezeichnung „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“ ist leider irreführend. Das ist nur ein Teil der verwalteten Unterlagen und somit unserer Aufgaben. Ca. 3,1 Millionen Gefallenen sind registriert. Der Hauptteil betrifft also Überlebende des Krieges.

Die WASt verwaltet in ihren Gebäuden mit rund 16.400 m² ca. 4.300 Tonnen Akten- und Karteimaterial.

Hier ein Überblick : In der Zentralkartei sind 18 Millionen Einzelkarten registriert. Davon betreffen ca.15 Millionen Angehörige der Wehrmacht. Die restlichen Karten betreffen weitere militärische Organisationen, z.B. Waffen-SS, Polizei, Organisation Todt, RAD (Reichsarbeitsdienst), Volkssturm, NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps, usw…

Die WASt verwaltet außerdem Erkennungsmarken-verzeichnisse und Verlustlisten in einem Umfang von ca. 250 Millionen Meldungen. Dazu kommen ca. 15 Millionen Unterlagen über deutsche Kriegsgefangene in alliiertem Gewahrsam und eine umfangreiche Dokumentation über die „Kriegsmarine“.

Ein Schwerpunkt der Aufgaben der WASt ist die Bearbeitung der Vermisstenfälle, die Sterbeanzeigen bei den Standesämtern und die Informationen über die Grablage der Gefallenen an die Familien. Die WASt arbeitet Hand in Hand mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. in Kassel.

Wir bearbeiten ebenfalls die sehr zahlreichen Anfragen von Personen, die um Auskunft über den militärischen Werdegang ihres Angehörigen bitten, sowie, immer mehr, Anfragen von Historikern, Autoren oder Journalisten. Die Zahl der Anfragen nach einem „Kindesvater“ ist in den letzten 10 Jahren sehr gestiegen. Die Gründe sind folgende:

1) Durch zahlreiche Publikationen über den Zweiten Weltkrieg (Bücher, Zeitschriften, Dokumentarfilme, Internet) ist die WASt einem größeren Publikum bekannt geworden.

2) Den zweiten Grund entnehmen wir den oft sehr rührenden Schreiben der „Kriegskinder“, die auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater sind. Ihre Mütter hat ihnen oft sehr lange verschwiegen, wer ihr Vater war. Nicht selten erfahren sie die Wahrheit erst kurz vor dem Tod der Mutter, wenn sie ihr Geheimnis nicht ins Grab mitnimmt. Andere finden erst nach dem Tod ihrer Mutter Indizien über den Vater durch Fotos, Briefe mit Feldpostnummern oder weitere Dokumente.

Diese Mütter haben oder hatten ihre persönlichen Gründe, dieses Geheimnis zu hüten. Es steht mir nicht zu, sie zu verurteilen.

3) Die politische und soziale Situation in ihrem Land haben sie dazu gezwungen. Es war nicht angebracht zu sagen, dass das Kind einen deutschen Soldaten als Vater hatte. Diese Kinder und ihre Mütter haben immer wieder Beschimpfungen und Verletzungen erleiden müssen. Frankreich und Norwegen waren hier besonders betroffen.

Der Umfang der Unterlagen der WASt ist zwar eine sehr große Hilfe, kann aber auch große Schwierigkeiten in den Recherchen bedeuten. Eine Person kann im Prinzip nur ermittelt werden, wenn ihre Identität bekannt ist: Familienname, Vorname, Geburtsdatum und –ort. In diesem Fall ist es recht einfach, die Recherchen durchzuführen und die verschiedenen Informationen zu sammeln.

In den meisten Fällen sind dem Kriegskind diese Informationen jedoch unbekannt oder nur sehr lückenhaft. Die größten Schwierigkeiten bei den Ermittlungen ruhen daher, dass die Angaben sehr ungenau, oft sogar falsch sind. Das ist kein Vorwurf, im Gegenteil ! 65 Jahre und mehr sind vergangen und mit ihnen die Erinnerungen. Dazu kommt die sprachliche Barriere. Für einen Franzosen, Norweger oder Däne ist es oft schwer, einen deutschen Namen, zu lesen, schreiben oder auszusprechen.

Die Suche nach einem Vater ist nicht selten mit der Arbeit eines Detektiven zu vergleichen. Neben globalen Kenntnissen über militärische Ereignisse, Einheiten, Dienstgrade und Stationierungsorte ist die Fähigkeit zu kombinieren und sich durch langwierige Recherchen durchzuarbeiten notwendig. Manchmal ist es einfach das Glück, das einen zum Gesuchten führt.

Je präziser die Informationen, desto größer sind die Chancen, eine Person zu identifizieren. Jeder Detail, und mag er noch so unbedeutend scheinen, kann uns beim Zusammensetzen des Puzzles helfen.

Wenn der gesuchte Soldat identifiziert ist, wird die Suche nach einem bestimmten Schema weitergeführt. Ist er im Krieg gefallen? Wurde er als vermisst gemeldet? Hat er den Krieg überlebt? Ist er heute noch am Leben? Dank der Zusammenarbeit mit weiteren Behörden, z.B. den Standes- und Einwohnermeldeämtern, sind die Antworten meist schnell gegeben.

Die ermittelten Auskünfte über den Vater werden grundsätzlich dem Kind mitgeteilt, auch wenn dieser Vater eine Kontaktaufnahme verweigert. Das Recht des Kindes, seine Wurzeln zu kennen, geht über eventuelle Datenschutzrechte vor. In allen anderen Fällen ist die WASt allerdings verpflichtet, den vom Land Berlin festgesetzten Gesetzen über Datenschutz zu folgen.

Die WASt hat in den letzten Jahren ca. 500 bis 600 Anfragen von Kindern oder Enkelkindern, die ihre Wurzeln suchen, erhalten. Aus FRANKREICH zählen wir seit dem Jahre 2000 ca. 1.450 Anfragen.

Die Reaktion der Antragsteller zeigen, wie wertvoll jede kleinste Information sein kann. Viele glaubten nicht mehr daran, eine Spur ihres leiblichen Vaters zu finden. In einigen Fällen wurde sogar eine Kontaktaufnahme mit dem noch lebenden Vater ermöglicht. Die Chancen, dies zu erleben, schwinden natürlich dahin.

Die WASt vertritt den Standpunkt, dass die zuständigen Behörden bei der Suche nach der Herkunft behilflich sein müssen. Aus diesem Grunde werden diese Recherchen von der Deutschen Dienststelle (WASt) kostenlos durchgeführt.

Einige von Ihnen hatten bereits die Gelegenheit, bei einer Gruppenreise nach Berlin die Deutsche Dienststelle WASt zu besuchen. Sie werden Ihnen bestimmt sagen, dass man diese Dienststelle gesehen haben muss, um sich ein Bild von dem Umfang und der Komplexität der Unterlagen zu machen. Und wie ergreifend es ist, ein Dokument, das den Vater betrifft, in den Händen zu halten, das alte Papier zu riechen oder z.B. die Tausenden von Gegenständen zu sehen, die, wenn es möglich ist, von der WASt heute noch an die Familienangehörigen zurückgegeben werden.

Darum schließe ich meine Anrede mit der Erinnerung an die Worte des Amtsleiters unserer Dienststelle, Herrn Söchtig. Sie sind herzlich eingeladen!