TEXT AUS DER TAGESZEITUNG « OUEST FRANCE » vom 6.8.2013
Anmerkungen von Annah Delaware
Die erstaunliche Geschichte zweier Schwestern
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Vor zwei Jahren wußten sie noch nicht von einander. Aber Nicole und Annah entdeckten, daß sie den selben Vater haben, ein Deutscher, 1941 mit Auftrag in der Bretagne.
Seither sind sie Nachbarn.
Nicole Nedelec, geb. 42, unter dem Namen der Mutter, Favennec. In Crozon (Finistère) aufgewachsen, wußte Nicole, daß ihr Vater Deutscher war, aber Nachfragen sind Tabu. Den Vornamen erfuhr sie von der Mutter: Hans. Man sagte ihr, er sei Pilot gewesen (1). Doch er war Angestellter der Luftwaffe – ein Mißverständnis auf Grund der Uniform, die er trug.
Annah Delaware, geb. in Deutschland, 5 Jahre nach Nicole. Sie lebte mit ihrem Vater, wusste aber nichts von seinem Einsatz in der Bretagne während des Krieges 39-45.
1992 verließ sie ihr Leben in Deutschland, um sich in Gourin (Morbihan) niederzulassen, wo sie ein Haus kaufte, in dem sich eine Bar mit Lebensmitteldepot befand. „Mein Vater sagte nichts, aber es ist gesichert, daß er in diesem Haus Zeit verbracht hatte“, erzählt sie.
Ein Medaillon von Kerizinen
Hans war in seiner Mission unterwegs. Er erwähnte einige Gemeinden in der Bretagne, bekannte sich aber nie zu der Stadt, in der er stationiert war, während der zweieinhalb Jahre, die ausgerechnet jene ist, in der seine Tochter lebt. (2) 1998 ist er krank, und Annah bietet ihm an, ihn in die Bretagne zu holen. “Ich glaube nicht, daß man mich dort gerne hätte“, antwortete er. Zwei Jahre später starb er, Annah fand in seinem Nachlass ein Medaillon, Herkunft aus dem geheiligten Ort Kerizinen im Nordfinistère. Die ausgewanderte Deutsche beginnt, sich Fragen zu stellen. „2005 kontaktierte ich Kerizinen, wo ich erfuhr, dass dieses Medaillon 1962 geprägt wurde“. Für sie und ihre Vertrauten keine Frage – einen Heiligenanhänger zu schicken, 20 Jahre später, das rührt von einer Frau her, wahrscheinlich mit Kind. Drei Jahre später kehrt Annah nach Deutschland zurück, widmet sich ihren Recherchen. Im Internet findet sie die Seite von Coeurs sans Frontières, ein Verein der Kriegskindern hilft, ihre Wurzeln zu finden. Dort ist sie auf die Anzeige von Nicole gestoßen.
„Nicole (links) und Annah (rechts) um ein Bild des Vaters Hans gesammelt, die Eine hat hin nicht gekannt, die Andere hatte von seiner Geschichte nichts gewusst.
Eine verschworene Gemeinschaft wird geboren.
Die Crozonerin gehört seit 09 dem Verein an, in der Hoffnung , Spuren ihres Vaters zu finden, mit den mageren Informationen, die sie zur Verfügung hat. Für Annah genügend. Ab Herbst 2012 beginnen die beiden Frauen, sich per Briefpost auszutauschen, auch über ihr Leben, über Hans, senden sich Fotos.
Im Februar wenden sie sich an ein Labor, um den ADN-Test zu machen. Am 6. März platzt das Ergebnis mitten in den Aufenthalt Nicoles mit ihrem Mann bei Annah. Es besteht tatsächlich die Blutsverwandtschaft zwischen der Deutschen und der Crozonerin. Annah zieht nun auf die Halbinsel, einen Monat später, in das Nachbarhaus ihrer Schwester (3). Das war beschlossene Sache, noch bevor das letzte Wort dieser Geschichte gefallen war. Künftig wollen sie ihre Zeit bewußt miteinander verbringen.
„Es ist noch immer schwierig zu verstehen, unter welchen Umständen ich in die Bretagne zurückgekehrt bin. Ich habe mich hier immer alleine bewegt, und nun gibt es jemanden, der sich um mich kümmert“, erklärt Annah.
Bleibt das Geheimnis des Medaillons von Kerizinen, das sich den Schwestern noch nicht erschlossen hat.
Anmerkungen von Annah:
(1) … und noch vor ihrer Geburt abgestürzt … ist im Text gefallen. So lässt man illegale Väter verschwinden!
(2) Mein Vater war insgesamt zweieinhalb Jahre in der Bretagne, nur eines in Gourin.
Er war Frontsoldat, gehörte zu den Erstbesetzern des Lycée Saint-Yves, in dem ich die letzten drei Jahre als Putzfrau gearbeitet hatte.
Der Vorbesitzer des Hauses Saint-Nicolas, Schwiegervater meiner Verkäuferin, organisierte den Handel zwischen den Bauern und den Besetzern, die ihn mit Manipulationen auf der Cadasteramt reich belohnten. Ich fiel fast vom Hocker, als ich das alles aufdeckte.
Ein“ blöder“ Zufall wollte es, daß meine erste Ansichtskarte an meine Eltern den Gouriner Bahnhof zeigte, der in der 60ern abgerissen wurde, was ich nicht wußte. „Sieht ja noch aus wie im Krieg“, so mein Vater später. „Krieg?“ warst-du etwas dort?““in der Region, ich kenne die Gegend…“, zählte ein paar Ortsnamen auf. Verzog sich in sein Zimmer, nicht weiter gesprächsbereit. Was muß er sich gedacht haben als ich ihm Fotos von St-Nicolas schickte, und später ein Prospeckt von St-Yves , wo ich 98 schon als Nachtwache arbeitete..? Alles sieht im Elementaren noch wie damals aus!! Es war das Headquater der Region während der Besatzung!! All dieses Schweigen…
(3) Dieses kleinere Haus gehörte Nicoles Mutter, in de 60er gekauft. Ich lebe zwischen ihren Möbeln! 10 Min. von hier- das Hotel de la Mer, Unterkunft der Deutschen – Nicoles Mutter arbeitete dort als Zimmermädchen. Nicole hörte über Ecken, dass sie dort gezeugt worden war.